Die Wurzeln der Nachhaltigkeit sind eng mit dem Holz, einem der ältesten Roh-, Werk- und Baustoffe der Menschheit, verbunden. Grund genug, um den diesbezüglichen Stand der Holzbranche in Augenschein zu nehmen.
Von Marc Wilhelm Lennartz
Der Ursprung des bereits 1713 von Hans Carl von Carlowitz geprägten Begriffes Nachhaltigkeit liegt im Wald. Aus seiner Sicht konnte eine Waldnutzung nur dann für kommende Generationen möglich bleiben, wenn sie „nachhaltend“ erfolgen würde. Die damit begründete forstwirtschaftliche Nachhaltigkeit bezog sich zu Beginn einzig auf den Ansatz, nur so viel an Baumbestand einzuschlagen, wie auch nachwächst. Heute, bald drei Jahrhunderte später, wird mit Nachhaltigkeit eine umfassende, branchenunabhängige Leitlinie definiert, die ein zukunftsfähiges Leben der Menschheit auf dem Planeten Erde ermöglichen soll.
Standard der Umweltaktivisten
Nach der Welt-Umweltkonferenz 1992 in Rio de Janeiro gründete eine Initiative von Naturschützern, Holzhändlern, Menschenrechtsbündnissen und Umweltgruppen im kanadischen Toronto den ‘Forest Stewardship Council’ (FSC), den ‚Wald Verantwortungs-Rat’ (www.fsc.org). Der FSC setzt sich seitdem weltweit für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder ein und zeichnet Forstbetriebe, Holzprodukte und verarbeitende Unternehmen mit dem FSC-Gütesiegel aus. Die gemeinnützige Vereinigung setzt dabei auf eine ganzheitliche Nachhaltigkeit, die gleichermaßen eine ökologische, ökonomische wie auch sozial verantwortliche Holznutzung im Blick hat. Bis heute konnten mehr als 140 Millionen Hektar Wald unter das schützende FSC-Siegel gestellt werden. Weltweit konnten Forstflächen bisher in 79 Ländern zertifiziert werden, während sich die Produktketten-Zertifizierung sogar in 107 Ländern etabliert hat. Mit dieser ‘Chain of Custody’ (CoC) dehnte man das FSC-Siegel auf weiterverarbeitende Holzbetriebe aus. Namhafte Unterstützer des Siegels in Deutschland sind der BUND, Greenpeace, NABU und WWF sowie Gewerkschaften und gemeinnützige Organisationen. Bei den Konsumenten hat sich der FSC mittlerweile durchgesetzt. Viele Endkunden achten beim Kauf auf das Holzsiegel und sind bereit, dafür mehr zu bezahlen.
Standard der Waldbesitzer
Mit weltweit über 245 Millionen Hektar an zertifizierten Waldflächen ist allerdings ein zweites, weniger bekanntes Siegel flächenmäßig führend. Diese später gegründete Organisation ist vor allem in Europa präsent: das PEFC – ‘Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes’ (www.pefc.org) fußt ebenfalls auf ökologischen, ökonomischen und sozialen Kriterien. Weltweit sind derzeit 36 Länder Mitglied im PEFC, knapp 8.890 Betriebe haben sich zertifizieren lassen. Das auf Vereinbarungen der EU-Forstpolitik basierende System wurde von der Waldwirtschaft in Eigenregie initiiert. Umweltschutzorganisationen kritisieren, dass die PEFC-Kriterien nur geringfügig über den gesetzlichen Bestimmungen in Europa liegen und zu wenig kontrolliert werden. Für Waldbesitzer schlägt sich das in geringeren Kosten und weniger Aufwand im Vergleich zum strengeren FSC-Siegel nieder. Beispielsweise ist der Pestizid-Einsatz unter FSC – außer behördlich verbindlich angeordnet – verboten, Kahlschläge sind generell unzulässig. In Deutschland selbst sind zwei Drittel des Waldes (knapp 7,4 Millionen Hektar) sowie im Bereich der Holzverarbeitung bereits 1.867 Unternehmen, nach PEFC zertifiziert. Damit ist der PEFC hierzulande die größte unabhängige Institution zur Sicherung nachhaltiger Wald- und Holzwirtschaft.
Geschlossen zertifizierte Wertschöpfungskette
Bei den Unternehmen werden wiederkehrende Kontrollen, sogenannte Audits, zur Einhaltung der Kriterien durchgeführt. In Europa, wo die nachhaltige Forstwirtschaft eine bald 300jährige Tradition hat, erfolgt die Anerkennung meist ohne größere betriebliche Umstellungen. In vielen außereuropäischen Ländern müssen aber beispielsweise Erstinventuren großer Waldgebiete zur Erstellung eines Managementplanes durchgeführt werden. Daher ist die Zertifizierung dort erheblich teurer als in Mitteleuropa, wo die nötigen Daten in der Regel schon vorliegen. Auch wenn der Weg dorthin noch weit ist: das Ziel lautet, von der Waldpflege über die Anpflanzung neuer Bestände, den Einschlag und die Weiterverarbeitung bis zum Recycling das komplette Produkt- und Dienstleistungsportfolio der Holzwirtschaft weltweit unter die Obhut anerkannter Gütesiegel mit einheitlichen Standards zu stellen. Der FSC wie auch der PEFC haben mit ihrer CoC-Strategie diesen elementaren Schritt hin zu einer geschlossen zertifizierten Wertschöpfungskette des gesamten Holzkreislaufs auf der Agenda. Entscheidend ist, dass von A-Z alle Prozessbeteiligten zertifiziert werden. Ausnahmen dürfen hier keine Regel sein. Aktuell stehen als Zielsegmente z.B. Verpackung, Architektur, Möbelbau und die öffentliche Beschaffung im Fokus.
Lokales Beispiel Chiemgau
Darüber hinaus gibt es weitere länderspezifische Siegel, in Schweden etwa das SCA-Testat oder das finnische FFC-Nachweisverfahren, sowie etliche regionale Zusammenschlüsse. Der Förderverein Qualitätsholz aus dem Chiemgau & Berchtesgadener Land e.V. (www.chiemgauholz-ev.de) entstand in den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land. In Anlehnung an die Konferenz von Rio und der dort beschlossenen Lokalen Agenda 21 (Global denken – Lokal handeln) hat es sich der Verein zur Aufgabe gemacht, ein regionales, sozial-ökologisches Netzwerk der Holzwirtschaft zu etablieren. Die Chiemgauer Holzwirtschaft zielt darauf ab, dass möglichst viel Holz aus ihrer Region auch in ihrer Region verbleibt, dort vermarktet, verarbeitet und veredelt wird. Die gesamte Wertschöpfung soll nicht nur von der Region erbracht werden, sondern ihr auch erhalten bleiben. Der Weg weist hin zu einer in Eigenregie dezentral strukturierten Holzkreislaufwirtschaft, die die gesamte Arbeitsteilung regional organisiert und sich bewusst dem internationalen Preisdiktat widersetzt.
Bedeutende Baubranche
In der Holzbranche stellen das Bauwesen und der Innenausbau die wichtigsten Nutzungssegmente dar. Die nach wie vor von Stahl, Beton und Ziegelwerk dominierte weltweite Bauwirtschaft und ihre Bestandsbauten zeichnen für 60% der Transportwege und 40% des Energie- und Ressourcenverbrauchs verantwortlich. Doch mit dem verstärkten Einsatz von Holzbauelementen hofft man dieser Negativentwicklung entgegenzuwirken. Denn Holz stellt den einzig nachwachsenden und auf allen Kontinenten verfügbaren Baustoff von Belang dar. Es weist gute Dämmeigenschaften auf, vermag Wärme zu speichern und bei Bedarf wieder an den Raum abzugeben. Im Verhältnis zu seinem Volumen ist Holz relativ leicht, verfügt zugleich über gute konstruktive Eigenschaften, eine hohe Festigkeit und ist zu 100% recyclingfähig.
Holz kann alles
Holz ist von Natur aus diffusionsoffen: In Massivholzbauten hält es durch seine feuchtigkeitsregulierende Wirkung die Raumluft im Idealbereich menschlichen Wohlbefindens. Das so bezeichnete ‚Holzhausklima’ bietet nicht nur Allergikern ein ideales Wohnumfeld. Haptisch, optisch und psychologisch spricht es die meisten Menschen an, beruhigt und generiert durch seine relativ warme Oberfläche eine behagliche Raumatmosphäre. Der Architekt und Holzbau-Professor der TU München, Hermann Kaufmann, fasst es so zusammen: „Holz kann alles: Dämmen, Tragen und Schönsein!“ Darüber hinaus bindet Holz durch seinen Kohlenstoffanteil, aus dem es zu 50% besteht, den Klimaschädling Nr. 1, das Kohlendioxid. In jedem Kubikmeter verbauten Holzes wird im Durchschnitt eine Tonne CO2 gespeichert. Ein nachhaltig bewirtschafteter Forst speichert über die vermehrte Verwendung von langlebigen Holzprodukten als Kohlenstoffsenke mehr CO2 als ungenutzte Urwälder oder Forste in Nationalparks. Bei der energetischen Verwertung als Stückholz, Hackschnitzel oder Pellets wird nur so viel an CO2 freigesetzt, wie zuvor beim Wachstum im Wald gebunden wurde. Zudem produziert der Wald auch noch Sauerstoff. In einer Gesamtökobilanz ist Holz damit gegenüber allen anderen Baustoffen konkurrenzlos.
Wälder bleiben in Gefahr
Die Mehrerlöse durch höhere Endpreise von Holzprodukten mit den Nachhaltigkeitssiegeln von FSC und PEFC sind (noch) überschaubar. Gleichzeitig achten immer mehr Kunden auf zertifizierte Holzprodukte, die sich als ein Qualitätsmerkmal einer erfolgreichen Produktabsatzstrategie bewiesen haben. Kann ein Unternehmen belegen, dass seine Holzprodukte aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammen, findet das nicht nur ideelle Anerkennung. Was heute ebenso vielfach wie selbstverständlich bei Papier, Buntstiften, Designermöbeln, Gitarren, Parkettböden, Pellets und Häusern üblich ist, könnte auch für andere Branchen eine Signalwirkung entfalten. Jedoch: wenn man die zertifizierten Flächen von FSC und PEFC zusammenzählt – rund 349 Millionen Hektar – dann steht immer noch der weitaus größte Teil der Waldgebiete der Erde, etwa 90%, schutzlos da. Damit sind die Wälder global betrachtet weiterhin stark gefährdet. In den Tropen werden pro Jahr zwischen 11 und 15 Millionen Hektar Wald unwiederbringlich durch Kahlschlag oder Brandrodung vernichtet. Umso wichtiger erscheint es, dass alle Beteiligten, denen etwas an Wald und Holz liegt, an einem gemeinsamen Strang ziehen.
Eine Übersicht zu allen Beiträgen des CSR MAGAZIN Nr. 7 (Juni 2012) finden Sie hier.