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Mit offenen Karten: Transparenz im Gartenbau

Das Schlagwort „Transparenz“ ist derzeit in aller Munde. Die Generation „Internet“ will wirklich alles wissen. So dreht sich auf der Nachfrageseite immer mehr um das Wo, Warum und Wie? Das stellt diejenigen, die unsere Produkte anbauen, produzieren und handeln, vor ganz neue Herausforderungen. Schließlich verträgt sich der Ruf nach Transparenz so gar nicht mit dem vielen Unternehmen heiligen Betriebsgeheimnis. Ein Blick in den Gartenbausektor zeigt, was geht und warum es trotzdem so schwer ist.

Von Silke Peters

„Im Grunde steht Transparenz auf Rang 1“, sagt Stefan Gegg, Vorstandsvorsitzender der Fleurop AG. „Sie kommt noch vor der Frage mit dem Pflanzenschutz.“ Seine These lautet: „Wenn es uns gelingt, transparent zu handeln, klären sich die Umwelt- und Sozialfragen praktisch von allein.“ Dabei ist der Blumensektor ausgesprochen intransparent und im globalen Schnittblumenanbau lässt sich kaum nachvollziehen, woher ein einzelner Stiel kommt. Das erklärt sich durch die Strukturen im Blumenhandel: Das Gros der Schnittblumen wird nach wie vor über die Auktionen in Aalsmeer und Westland gehandelt. Es gibt Export- und Importunternehmen, die Ware mischen und neuverpacken. Für die Inhaberin oder den Inhaber eines Blumenfachgeschäfts, der die Blumen auf dem Großmarkt vom Großhändler des Vertrauens kauft, es dadurch kaum noch nachvollziehbar, woher die Blumen ursprünglich kommen.

Herkunftsangabe als erster Schritt

Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen gibt es im Blumenhandel keine Vorgaben für die Kennzeichnung. So gilt bereits als Pionier, wer das Herkunftsland auszeichnet. Erste Unternehmen wie beispielsweise die Gartencenterkette Pflanzen Koelle gehen voran. Ein Blumenfachgeschäft, das seine Ware vom Großmarkt bezieht, verfügt jedoch oft nicht über Informationen, um für jede Schnittblume zuverlässig das Herkunftsland angeben zu können. Zudem plagt Händler die Sorge, dass die Angabe des Produktionslandes Fragen aufwirft: Warum Rosen aus Kolumbien?! Das lässt viele noch davor zurück schrecken.

Informationen bauen Brücken

Jede weitere Information, von welchem Betrieb die Blume genau kommt, eventuell sogar wann sie geerntet wurde, ist reine Zukunftsmusik. Für Problemlösungsansätze mit Blick auf den Pflanzenschutzmitteleinsatz sind aber gerade diese Informationen entscheidend. Wenn die Floristin weiß, wer ihre Blumen angebaut hat, kann sie außerdem anders darüber reden. Gibt es zum Beispiel eine Regenperiode in Kenia und die Ernte fällt schlecht aus, steigen die Preise. Ein Fachverkäuferin, die diese Information an ihre Kunden weitergeben kann, steht anders dar. Sie kann eine Brücke bauen zwischen den Menschen, die die Blumen angebaut haben, und denen, die sie hier kaufen. Eine solche Brücke ist ein Nachhaltigkeitsinstrument, denn sie schafft in einer globalen Wertschöpfungskette die Möglichkeit, zumindest ein wenig mehr mit der Natur zu gehen. Fällt mehr Regen als geplant, muss der Gärtner nicht im Übermaß Pilzbekämpfungsmittel einsetzen (und den Boden belasten). Der Markt gibt ihm die Möglichkeit, den Ernteausfall durch höhere Preise abzufedern. Mit mehr Transparenz kann das Risiko, das zur Agrarproduktion einfach dazu gehört, ein Stück weit von der gesamten Wertschöpfungskette getragen werden. Es lastet nicht allein auf den Schultern des Produzenten. Vorausgesetzt alle Akteure – und nicht zuletzt der Konsument – erkennen, dass sie es mit einem Produkt zu tun haben, dass nicht immer gleich wächst und nicht immer gleich aussieht.

Ängste des Handels

Von außen betrachtet erscheint es fast unglaublich, dass sich im Zeitalter der Informationstechnologie keine Lösung für eine lückenlose Rückverfolgbarkeit im Schnittblumenhandel zu finden scheint. Schließlich gibt es RFID Codes, Online-Erfassungssysteme und QR-Codes. Aber: Diese Techniken setzen einiges voraus. Zunächst einmal müssen alle Beteiligten über die nötigen technischen Geräte verfügen. Für eine Blumenfarm, die im Hochland von Kenia Schnittblumen anbaut, ist das nicht immer selbstverständlich. Vor allem aber muss flächendeckend der Wille für den Einsatz solcher Systeme bestehen. Auf Handelsseite ist das nicht so eindeutig. Gebe ich meine Lieferanten preis, könnten sie mir abgeworben werden. Oder die Kunden könnten sich direkt mit dem Zulieferer in Verbindung setzen. Außerdem kommen mit der Offenlegung der Herkunft die unangenehmen Fragen mit Blick auf Umwelt- und Sozialfragen überhaupt erst auf. So gilt vieles als Betriebsgeheimnis – und das sollte bitte nicht angerührt werden! Dass das nicht so bleiben kann, ist vielen klar. Der Interessenverband setzt entsprechend Zeichen: Im Juni lädt der Bundesverband Blumengroßhandel und-import BGI e.V gemeinsam mit dem NRW-Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz zu einer Veranstaltung, die sich ausschließlich um das Thema „Transparenz“ dreht.

Produktionsprozesse erklären

Von den Zulieferern verlangt man schon mehr Offenheit. Es gibt Systeme wie zum Beispiel das Umweltregistrierungssystem MPS. Hier geben teilnehmende Betriebe regelmäßig ihren Verbrauch an Pflanzenschutzmitteln, Dünger, Energie und Wasser an eine Datenbank weiter. Die Angaben werden anonymisiert, nach Produktionsort und Produktionskultur geclustert und verglichen. Unternehmen, deren Verbrauch besonders niedrig ist, werden der Klasse A zugeordnet, mittlere der Klasse B und die mit vergleichsweise hohem Verbrauch der Klasse C. Das Prinzip kennen wir durch die Energieverbrauchsstufen bei Haushaltsgeräten. Vielen Gärtner verschafft dieses System immenses Unbehagen. Als Problem gilt wiederum der Datenschutz: Wer sagt mir, dass die Daten wirklich verschlüsselt sind? Warum soll ich preisgeben, wie viel Dünger ich einsetze? Die Vorstellung vom „Big Brother“, dem allgegenwärtigen Auge, schwebt mit. Im Privatbereich sind solche Ängste nachvollziehbar. Aber im Beruf geht es darum, Produktionsprozesse zu erklären, im Idealfall gemeinsam zu lernen. Ein Produzieren und Handeln hinter verschlossenen Betriebstoren steht dem entgegen. Wer seine Tore öffnet, darf auch erwarten, dass Risiken mitgetragen werden. Das ist ein Vorteil.


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