Hamburg (csr-news) – Durch Importtextilien gelangen Chemikalien in deutsche Gewässer, deren Anwendung in der europäischen Union verboten oder stark eingeschränkt ist. Darauf macht die Umweltschutzorganisation Greenpeace im Rahmen ihrer Detox-Kampagne aufmerksam. Eine aktuelle Veröffentlichung daraus beschäftigt sich mit dem außerhalb Europas bei der Textilwäsche eingesetzten Nonylphenolethoxylate (NPE): Mit den 881.000 Tonnen Importtextilien pro Jahr gelangen nach Greenpeace-Schätzungen 88,1 Tonnen der Chemikalien in deutsche Gewässer. Denn das Nonylphenolethoxylate wird überwiegend mit der ersten Wäsche ausgewaschen und gelangt über das Abwasser in die Umwelt. Kläranlagen neutralisieren die Substanz kaum. Im Abwasser entsteht aus NPE das giftige, hormonell wirksame und schwer abbaubare Nonylphenol (NP). Inwieweit deutsche Gewässer tatsächlich mit der Chemikalie belastet sind, lässt sich derzeit nicht sagen: Es fehle dazu an Daten, heißt es in einer Information des Umweltbundesamtes. Greenpeace fordert die Textilmarken auf, den Einsatz von NPE in der Produktion bis 2013 zu beenden.
NP/NPE gehört zur Stoffgruppe der Alkylphenolethoxylate (APEO). Die nicht-ionischen Tenside werden seit 1992 in Deutschland nicht mehr in Haushalts- und Industriereinigern eingesetzt. Sechs internationale Textilmarken wollen dazu beitragen, dass diese Stoffe bis zum Jahr 2020 weltweit bei der Textilproduktion nicht mehr zum Einsatz kommen: adidas, C&A, G-Star, H&M, Li Ning, Nike und Puma. Die Grundlage dazu ist eine im November 2011 verabschiedete Roadmap „Zero Discharge 2020“. In diesem Jahr soll vierteljährlich über Fortschritte der Initiative berichtet werden; ein erster Bericht ist für den April angekündigt. Ab 2013 soll die Berichterstattung jährlich erfolgen. In einem ersten Schritt sollen alle Zulieferer über den Anspruch auf eine von schädlichen Chemikalien freie Produktion informiert werden. Dies sei bereits erfolgt oder geschehe in Kürze, teilten die Initiatoren in der vergangenen Woche in einem Schreiben an Greenpeace mit. Ein wichtiger Bestandteil der Roadmap ist sodann die Entwicklung eines Maßnahmenplans, der den Verzicht auf APEOs durchsetzen soll.
Dieser Verzicht auf den weltweiten Einsatz der als gefährlich eingestuften Chemikalien sei allerdings eine Herausforderung, die von den beteiligten Marken nicht alleine bewältigt werden könne. Weitere Marken, die chemische Industrie, die Wissenschaft, NGOs, Textilexperten und Politiker müssten sich der Initiative anschließen. „Zero Discharge 2020“ solle deshalb als Benchmark andere Unternehmen zu vergleichbaren Anstrengungen herausfordern.
Mit dem Chemikalienverzicht verbundene Probleme erlebte H&M, das seinen Lieferanten bereits 2009 den Einsatz von APEOs untersagte. H&M entwickelte zugleich seine Tests und Auditsysteme weiter, um diese Vorgabe zu kontrollieren. Dabei stellte sich heraus: Bei einzelnen Zulieferern kamen von der Industrie als APEO-frei deklarierte Waschmittel zum Einsatz, die dennoch Spuren der Chemikalie enthielten.
Als Problemsubstanz in deutschen Gewässern lässt sich Nonylphenol derzeit nicht hervorheben. Dem Umweltbundesamt vorliegende Untersuchungen an jeweils 40 bis 120 ausgewählten Messstellen haben in den zurückliegenden Jahren keine Überschreitungen der EU-Grenzwerte für diese Substanz ausgewiesen, so der Gewässerfachmann Volker Mohaupt vom UBA gegenüber CSR NEWS: „Das heißt für uns erst einmal: Entwarnung“. Die Konzentrationen sind aber so nahe am Grenzwert, dass es durchaus an anderen Stellen Überschreitungen geben kann. Aufgrund der im vergangenen Jahr reformierten Gewässerschutzverordnung werde die Zahl der Messstellen in Zukunft deutlich erhöht.
Der aktuelle Greenpeace-Bericht „Schmutzige Wäsche“
Die Antwort der beteiligten Textilmarken auf die Greenpeace-Kampagne (Englisch)
(zuletzt aktualisiert am 30.03.12, 00:03 h)