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3. Startbahn am Münchener Flughafen: Nachhaltigkeit sieht anders aus!

Katharina Schulze ist Sprecherin des Aktions-Bündnisses „München gegen die 3. Startbahn“ www.keinestartbahn.de, das derzeit München-weit Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen den Flughafenausbau sammelt. Mit dem Bürgerbegehren soll die Landeshauptstadt München dazu verpflichtet werden, als Gesellschafterin der Flughafen München GmbH (FMG) gegen den Bau einer 3. Start- und Landebahn zu stimmen. Bei einem erfolgreichen Bürgerentscheid müsste die Stadt München in der Gesellschafterversammlung der FMG gegen die Ausbaupläne stimmen. Da dort das Einstimmigkeitsprinzip herrscht, wäre die 3. Start- und Landebahn damit verhindert.

In Baden-Württemberg ist die Volksabstimmung über Stuttgart21 vor wenigen Wochen eindeutig zugunsten des lange umstrittenen Großprojekts ausgegangen. Wieso engagieren Sie sich gegen den Bau einer 3. Start- und Landebahn am Münchner Flughafen und wollen diesen über einen Bürgerentscheid verhindern?
Katharina Schulze: Alle reden vom nachhaltigen Wirtschaften – aber in der Politik oder in der Wirtschaft ist das oft nur ein Lippenbekenntnis. Bis zum Jahr 2050 müssen wir unsere CO2-Emissionen um bis zu 80 Prozent senken. Die Internationale Energieagentur geht davon aus, dass wir das Fördermaximum bei konventionellem Erdöl bereits 2007 erreicht haben. Und in dieser Situation behauptet die Flughafen München GmbH, die Bayerische Staatsregierung und leider auch die Stadt München, eine 3. Startbahn am Münchner Flughafen sei notwendig und wirtschaftlich sinnvoll. Nachhaltigkeit sieht anders aus!
Mit dem Bürgerbegehren wollen wir zweierlei erreichen: zunächst geht es natürlich um die Mitsprache und demokratische Beteiligung der Bevölkerung bei einem Großprojekt, bevor Fakten geschaffen werden. Und wir werben natürlich dafür, dass die Münchnerinnen und Münchner den Bau der 3. Startbahn ablehnen – aus wirtschaftlicher Vernunft, für den Klimaschutz und natürlich auch aus Solidarität mit den vom Lärm und Abgasen betroffenen Anwohnern.

Wie gehen Sie mit dem Vorwurf der Fortschrittsfeindlichkeit um?
Ich halte die Vorstellung, dass unsere Wirtschaft einfach immer weiter wächst und dass durch klimaschädliche Großprojekte automatisch Wachstum entsteht, schlicht für falsch. Der Vorwurf der Fortschritts- oder Wirtschaftsfeindlichkeit kommt doch von älteren Herren, die größtenteils seit Jahrzehnten wichtige Positionen in Politik und Wirtschaft einnehmen und Fortschritt in Kubikmeter verbautem Beton messen. Ich würde hier die Frage umdrehen: Sind nicht diejenigen fortschrittsfeindlich, die dem Wachstumswahn verfallen sind, aber keine Vorstellung davon haben, wie sozial und ökologisch innovatives Wirtschaften aussieht?

Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet doch aber, Ökonomie, Soziales und die Umwelt in Einklang zu bringen?
Alleine mit dem ökologischen Argument werden Sie diejenigen nicht überzeugen, die den Flughafenausbau wirtschaftlich für notwendig halten.
Selbst ein von der FMG beauftragtes Gutachten stellt fest, dass mit dem vorhandenen Zwei-Bahn-System mehr als 480.000 Bewegungen abgewickelt werden können – im Jahr 2010 waren es hingegen nur 390.000 Flugbewegungen, 2011 sind es vermutlich etwas weniger. Der Bedarf ist schlicht nicht vorhanden und die Kapazität der zwei Startbahnen reicht vollkommen aus.
Und auch struktur- und wirtschaftspolitisch halte ich den Ausbau für völlig falsch. Die Arbeitslosenquote in der Flughafenregion lag im Oktober 2011 bei 1,8 %. Der Landkreis Freising hat in den letzten 18 Jahren ein Bevölkerungswachstum von über 20 Prozent verzeichnet. Eine vernünftige Strukturpolitik schafft hochwertige Arbeitsplätze, wo sie benötigt werden, und nicht in einer Gegend, die ohnehin aus allen Nähten platzt – die Gemeinden rund um den Flughafen kommen jetzt schon kaum noch mit der Ausweisung neuer Baugebiete, dem Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Sportplätzen und Freizeiteinrichtungen hinterher.

Das Interview führte Alexander König.


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