Berlin > Mit der Konferenz „CSR – Gesellschaftliche Verantwortung im internationalen Dialog“ setzt die Bundesregierung ein wichtiges Zeichen für ihre Wertschätzung gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung. Zugleich droht sie sich durch ihre Kritik an der CSR-Strategie der Europäischen Union und einen rückwärtsgewandten Blick im „Klein-Klein“ zu verlieren.
Ein Kommentar von Achim Halfmann
Publikumsliebling am ersten Tag der Berliner CSR-Konferenz war ein Gast aus Indien: Bhaskar Chatterjee, Generaldirektor des Indian Institute of Corporate Affairs, kam mit offenen Worten und Visionen. „Wir haben uns selbst ins Bein geschossen, weil wir CSR lange ignoriert haben“, sagte Chatterjee. Der Subkontinent sei auf die Mitwirkung der Unternehmen angewiesen, um seine gesellschaftlichen Herausforderungen lösen zu können. Deren CSR-Engagement stehe aber noch ganz am Anfang. Es brauche dazu mehr Fachleute in den Unternehmen und NGOs, die mit diesen kooperieren. Ihren zahlreichen eigenen Unternehmen legte die indische Zentralregierung eine CSR-Berichtspflicht auf. Um das Engagement im Privatsektor zu stärken, seien Steuererleichterungen für verantwortungsvoll agierende Unternehmen im Gespräch, so Chatterjee.
Frischen Wind brachte auch ein Generaldirektor der EU-Kommission, Koos Richelle, in die Diskussion. „CSR ist eine Frage des Überlebens“, so Richelle. Die Debatte darüber brauche mehr Druck und Bewegung. Es gehe nicht zuerst um die Ausarbeitung neuer Standards, sondern um die konsequente Anwendung der bestehenden. Der EU-Direktor benannte konkrete Herausforderungen: Etwa die „verlorene Generation“ arbeitsloser junger Menschen in Europa oder die wachsende Bedeutung von Unternehmen in der Entwicklungszusammenarbeit. Im Blick auf die im Oktober vorgestellte neue CSR-Strategie der EU-Kommission sagte Richelle: Die Gestaltung von CSR sei Sache der Unternehmen und öffentliche Institutionen sollten diese unterstützen. Ein regulierender Eingriff sei etwa zur Herstellung von mehr Transparenz und zur Vermeidung von Greenwashing möglich. Er wolle auf der Tagung allerdings nicht hauptsächlich über die Fragen nach gesetzlichen Regulierungen diskutieren.
Dass die Frage nach der Regulierung im Vordergrund stehen könnte, diesen Eindruck hinterließ der Beitrag des Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Gerd Hoofe. Dieser begrüßte die neue CSR-Strategie der EU-Kommission zwar grundsätzlich, ergänzte zu dem dort angekündigten Mix aus Freiwilligkeit und Regulierungen aber mehrfach, dass er dazu noch Fragen habe und auf eine weitere Stellungnahme der Kommission warte. „Ein Herzstück des Verständnisses ist der prinzipielle Grundsatz der Freiwilligkeit von CSR – nicht der Beliebigkeit“, so Hoofe.
Der Staatssekretär kündigte eine Zusammenarbeit zwischen dem deutschen und dem dänischen CSR-Forum an. Die beiden von ihren jeweiligen Regierungen berufenen Gremien hatten sich am Vorabend der Konferenz getroffen. Dabei soll es aufgrund von Stellungnahmen deutscher Verbandsvertreter auch zu sehr kontroversen Diskussionen gekommen sein, hieß es aus Teilnehmerkreisen.
Wenig inspirierend vielen auch die Beiträge der Unternehmen auf dem Forum aus: Vier Vertreter stellten die CSR-Aktivitäten ihrer Arbeitgeber so dar, wie sie jedermann im Internet oder in den Nachhaltigkeitsberichten nachlesen könnte.
Über 1.000 Teilnehmer dokumentierten durch ihre Anwesenheit in Berlin, dass sie von der Bundesregierung Impulse erwarten. Da erwies sich die internationale Ausrichtung der Tagung als Glücksfall, denn diese Impulse stammten von ausländischen Gästen. Wenn Deutschland das Thema CSR nicht bald mit Visionen versieht und in größeren gesellschaftlichen Zusammenhängen diskutiert, droht eine belanglose und einschläfernde ordnungspolitische Diskussion. Will das jemand so?
Foto: Staatssekretär Gerd Hoofe (BMAS)
Die hohe Anzahl an Teilnehmenden, die aus verschiedensten Professionen kamen, war in der Tat erstaunlich. Aber diese Chance der Vielfalt wurde nicht genutzt. Der erhoffte Austausch fand weder im Plenum mit dem Publikum statt noch in den sogennaten workshops. Allerdings tauschten sich die Teilnehmenden rege in den Pausen aus, was für mich persönlich wertvoll war. Trotzdem fragt man sich: warum wurden die Diskussionsrunden mit so vielen Gesprächsteilnehmern besetzt, dass von vornherein klar ist, dass kein wirklicher Austausch stattfinden kann und welche Ziele wurden mit der Konferenz überhaupt verfolgt?
Mir hat die internationale, bunte Mischung an Teilnehmern sehr gut gefallen. So hatten Politiker auf internationaler Ebene, Unternehmen, Wissenschaft, NGOs und andere Stakeholder eine gute Gelegenheit, um über die zukünftigen Herausforderungen zu diskutieren, sich gegenseitig zu benchmarken und zu inspirieren. Deutschland schnitt dabei meiner Meinung nach im Vergleich zu anderen Ländern nur mittelmäßig ab. Dies sollte als Anreiz für die künftige Ausrichtung in CSR-Fragen auf allen gesellschaftlichen Ebenen gesehen werden.
Aus meiner Sicht geht es letztendlich jedoch nicht darum welches Land das gesellschaftlich verantwortlichste ist, sondern darum, internationale gesellschaftliche Probleme der Gegenwart und Zukunft möglichst schnell und effektiv GEMEINSAM zu bewältigen.
Ein definitives Weiterso zum internationalen Austausch und zur internationalen, politischen Kooperation!