Corporate Volunteering CSR-Wissen

1.000 Gesichter des Unternehmens: Corporate Volunteering

CC0 von extremis auf pixabay

Am Ende dieses Europäischen Jahres der Freiwilligentätigkeit lohnt sich ein Blick auf den Beitrag der Unternehmen: Jede zweite Firmen fördert das freiwillige Engagement ihrer Mitarbeiter nicht, sagen die einen. Unternehmen haben die Bedeutung solchen Engagements erkannt, sagen die anderen. Viele Praxisbeispiele zeigen: Es ist – nicht erst seit heute – etwas in Bewegung.

Am Ende dieses Europäischen Jahres der Freiwilligentätigkeit lohnt sich ein Blick auf den Beitrag der Unternehmen: Jede zweite Firmen fördert das freiwillige Engagement ihrer Mitarbeiter nicht, sagen die einen. Unternehmen haben die Bedeutung solchen Engagements erkannt, sagen die anderen. Viele Praxisbeispiele zeigen: Es ist – nicht erst seit heute – etwas in Bewegung.

Von Achim Halfmann.

Dass sich Regierungen europaweit dem Thema Freiwilligenarbeit stellen, ist kein Zufall. Den überschuldeten Staaten fehlt Geld für die Wohlfahrtspflege. Über die Hälfte des deutschen Bundeshaushaltes fließt inzwischen in Sozialausgaben, und auf der Ebene der Kommunen sieht es keinesfalls besser aus. Alte, Kranke, Kinder und Jugendliche, Migranten – viele unter uns benötigen zeitweise oder auf Dauer Hilfe, und die lässt sich nicht mit bezahlten Kräften alleine verwirklichen. Weil das Geld fehlt, aber auch, weil es um Hilfe geht, die sich nicht bezahlen lässt: um Begegnung, Beziehung und Zuwendung. In Bezug auf die Zukunft der Freiwilligenarbeit richtet sich der Blick der Öffentlichkeit zunehmend auf Unternehmen und die Arbeitswelt als Förderer oder Bremser.

Damit fällt dem Corporate Volunteering eine wachsende Bedeutung zu: Mit diesem in den USA und Großbritannien fest verankerten Bereich gesellschaftlicher Verantwortungsübernahme ermöglichen und fördern Arbeitgeber das freiwillige Engagement ihrer Mitarbeiter.

Mobilität behindert Engagement

Der Beitrag der Unternehmen ist wichtig: Denn berufliche Mobilität und wachsende zeitliche Inanspruchnahme in der Arbeitswelt behindern das freiwillige Engagement, hat das „Freiwilligensurvey 2009“ herausgefunden. Gerade junge Menschen seien davon betroffen. Die vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegebene Untersuchung stellt weiter fest: Der Wandel der Arbeitsverhältnisse mit einer zunehmenden Verdichtung der Berufsarbeit, der Flexibilisierung der Arbeitszeiten, dem Einsatz elektronischer Medien und neuen Formen der Selbständigkeit übt einen starken Einfluss auf die Freiwilligenarbeit aus – zum Guten oder zum Schlechten.

Eher zum Negativen wird der Einfluss der Arbeitswelt ausfallen, wenn man ein weiteres Ergebnis der Studie liest: Nur jeder dritte Freiwillige erhält die Unterstützung seines Arbeitgebers. Denjenigen, die unterstützt werden, gewähren ihre Chefs eine flexible Arbeitszeitgestaltung, Freistellungen von der Arbeit oder die Möglichkeit, die Infrastruktur am Arbeitsplatz für ihr gesellschaftliches Engagement zu nutzen. Noch etwas fällt bei der Studie der Bundesregierung auf: Corporate Volunteering wird darin an keiner Stelle genannt.

Gemeinnützige bedeutungslos

Während das Freiwilligensurvey auf Antworten von Bürgern beruht, befragte eine im April vorgestellte Studie Unternehmen und kommt zu ganz anderen Ergebnissen: Über 80 Prozent der deutschen Arbeitgeber praktizieren bereits Corporate Volunteering, heißt es dort. Zwischen November 2010 und Januar 2011 wandten sich die American Chamber of Commerce in Germany und Roland Berger Strategy Consultants an 946 deutsche Unternehmen, 109 nahmen an der Befragung teil – davon etwa die Hälfte Tochterunternehmen US-amerikanischer Konzerne. Die Studie „Corporate Volunteering in Deutschland” bietet viele Details deren Engagement: Es entsteht zu jeweils einem Drittel aus dem Unternehmen selbst oder durch die Initiative von Mitarbeitern. Eine große Rolle spielen weiter die Vorgaben der Mutterkonzerne, Anfragen gemeinnütziger Organisationen besitzen dagegen wenig Bedeutung. Bei den Motiven rangieren die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung und die Förderung der Unternehmenskultur vor Aspekten der Personalentwicklung wie der Stärkung von Teamfähigkeit, Mitarbeiterbindung oder Führungskompetenz. Auch die Öffentlichkeitswirksamkeit stellt ein starkes Motiv dar.

Neun von zehn Unternehmen organisieren ihre Programme eigenständig und ohne Einschaltung einer Mittlerorganisation. Nur wenig mehr als die Hälfte benennt unternehmensintern einen festen Ansprechpartner für das Corporate Volunteering. 70 Prozent der Unternehmen stellen Mitarbeiter für den guten Zweck von der Arbeit frei – im Durchschnitt knapp zwei Tage pro Jahr. Jeweils etwa ein Drittel unterstützt das freiwillige Mitarbeiterengagement durch Geld- oder Sachspenden. Nur jedes fünfte Unternehmen selbst Kontakte zwischen dem Mitarbeiter und gemeinnützigen Organisationen her. US-Tochtergesellschaften engagieren sich etwas häufiger als rein deutsche Unternehmen.

Auffällig sind die Übereinstimmungen zwischen dem Freiwilligensurvey und die Corporate Volunteering-Studie: Beide weisen den Zeitmangel der Beschäftigten als großes Hindernis für freiwilliges Engagement aus und weisen auf die Notwendigkeit einer Flexibilisierung der Arbeitszeit.

In der Zusammensicht beider Studien zeigt sich: Die Unterstützung zivilgesellschaftlichen Engagements ist in der Kultur von Unternehmen noch zu wenig verankert. Denn es geht dabei nicht zuerst um Leuchtturmprojekte, sondern zuerst um die Gestaltung einer Arbeitswelt, die Raum für freiwilliges gesellschaftliches Engagement lässt. Gleichwohl ist Corporate Volunteering in deutschen Unternehmen angekommen und gewinnt an Bedeutung.

„Celebration of Service“

Ein gutes Beispiel dafür ist IBM. In diesem Jahr feiert das US-amerikanische IT- und Beratungsunternehmen sein 100-jähriges Bestehen – und stellt dabei das ehrenamtliche Engagement seiner Mitarbeiter nach vorne. „IBM ist erfahrbar durch den IBMer“, den einzelnen Mitarbeiter, sagt Peter Kusterer, Leiter des Bereichs Corporate Citizenship und Corporate Affairs bei IBM Deutschland. Weltweit engagieren sich heute über 300.000 IBM-Mitarbeiter, Pensionäre und Geschäftspartner ehrenamtlich im Rahmen der Initiative „Celebration of Service“.

Von dem vielfältigen Austausch zwischen dem Unternehmen und gesellschaftlichen Organisationen profitieren beide Seiten. Kusterer ist überzeugt: Corporate Volunteering kann helfen, bisher untätige Bürger für das freiwillige Engagement zu motivieren. Eintägige Veranstaltungen wie die „Social Days“ vermitteln als niedrigschwellige Angebote wichtige Impulse. Darüber hinaus können Unternehmen ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, berufliche Kenntnisse für gesellschaftliche Organisationen nutzbar zu machen. IBMer sind IT-Experten und das Projekt „Manage your identity“ passt zu ihnen: In Partnerschaft mit dem Berufsverband der Datenschutzbeauftragten gehen sie an die Schulen und bringen Schülern ab der fünften Klasse klare und einfache Verhaltensregeln für den Umgang mit persönlichen Daten im Internet nahe. Innerhalb von 10 Tagen gewann IBM in Deutschland die ersten 200 Freiwilligen für dieses Programm; heute sind es bereits über 500 Engagierte.

Rote Nasen als Change-Manager

Dass Corporate Volunteering ins Unternehmen einzahlt, erläutert Kusterer an einem anderen Beispiel: Seine Kollegen sind auch Projektmanager und Berater und haben sich als solche für den Frankfurter Verein der Clown-Doktoren engagiert. Sie wirkten an der Website und der Entwicklung interner Kommunikationsstrukturen mit. Change-Management ist ein Thema für IBM und ebenso für die Clown-Doktoren, denn Krankheit verändert ein Leben. Kusterer: „In dem Projekt haben wir voneinander gelernt.“ Wie in diesem Beispiel könnten viele Vereine durch Kooperationen mit Unternehmen profitieren. Unternehmen ihrerseits werden so auf gesellschaftliche Problemfelder aufmerksam, die zukünftig möglicherweise zu Geschäftsfeldern und zu Quellen für Innovationen werden. Corporate Volunteering stärkt die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens, ist Kusterer überzeugt.

„Geburtstagsengel“

Auch bei Coca-Cola hat das Corporate Volunteering eine nach innen und nach außen gerichtete Funktion: „So bekommt unsere Marke in der Öffentlichkeit ein Gesicht“, sagt Uwe Kleinert, Leiter des Bereichs Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit bei Coca-Cola Deutschland. Eine besondere Idee findet sich im Corporate Volunteering-Baukasten der Getränkemarke: die „Geburtstagsengel“. Jeder Mitarbeiter erhält zum Geburtstag einen zusätzlichen freien Tag für ehrenamtliche Tätigkeiten. Dazu kann er ein Projekt des Kooperationspartners Gute-Tat.de wählen oder in einem Engagementbereich seiner Wahl arbeiten. Wichtig ist nur, dass er berichtet, wie er diesen Tag nutzt. Über die Hälfte der Mitarbeiter machen von dem Angebot Gebrauch, berichtet Uwe Kleinert. Häufig nutzen Mitarbeiter einer Abteilung ihren „Geburtstagsengeltag“ gemeinsam und stärken so ihre Zusammenarbeit im Team.

Der Inhaber ist das Konzept

IBM und Coca-Cola sind Beispiele für internationale Konzerne. Wie aber sieht es mit den kleinen und mittleren Unternehmen aus? Die Unterstützung der Mitarbeiter in ihrem gesellschaftlichen Engagement ist dort häufig. Und zwar nicht erst, seit der Begriff Corporate Volunteering die Runde macht, sagt Dieter Schöffmann, Geschäftsführer der Kölner VIS a VIS Agentur für Kommunikation. Das liegt an der unmittelbareren Beziehung der Mittelständler zu ihrem gesellschaftlichen Umfeld. So erhalte ein Gartenbauer schnell einmal die Möglichkeit, die Fuhre Sand für einen Spielplatz kostenfrei in den Kindergarten seiner Tochter zu transportieren. Das Engagement sei dabei deutlich weniger strategisch als in den Konzernen. Schöffmann: „Die Inhaberin ist das Konzept.“ Das Engagement eines Mitarbeiters bei der Freiwilligen Feuerwehr, dem Sportverein oder in der kirchlichen Jugendarbeit geschieht häufig im selben sozialen Umfeld, in dem der Unternehmer mit seiner Familie lebt. Das schafft Verbindlichkeit. Programme, mit denen KMUs das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitarbeiter erst herausfordern, finden sich allerdings seltener. Doch auch hier gilt: Der Unternehmer selbst ist das Programm, sein Vorbild wirkt.

Autor: Achim Halfmann
Der Beitrag erschien zuerst im CSR MAGAZIN Nr. 4 (4/2011)

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