Berlin > Arbeitnehmer, die einen Angehörigen pflegen, sollen künftig ihre Arbeitszeit zwei Jahre lang auf bis zu 15 Stunden reduzieren können. Der am Mittwoch vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf zur Familienpflegezeit sieht vor, dass die Beschäftigten 75 Prozent des letzten Bruttoeinkommens erhalten, wenn sie die Arbeitszeit in der Pflegephase von 100 auf 50 Prozent reduzieren. Später muss dies aber wieder ausgeglichen werden.
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) verwies darauf, dass die ersten Unternehmen die Familienpflegezeit bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes einführten. „Das zeigt: Der Bedarf ist schon heute groß“, erklärte sie in Berlin. Von den 2,38 Millionen Menschen in Deutschland, die Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen, werden nach Angaben des Familienministeriums mehr als 1,6 Millionen Menschen zu Hause versorgt – durch Angehörige und ambulante Dienste.
Wer die Pflegezeit in Anspruch nimmt, soll danach zum Ausgleich nur einen reduzierten Lohn erhalten, auch wenn er wieder voll arbeitet – so lange, bis das Zeitkonto wieder ausgeglichen ist. „Die Familienpflegezeit wird insbesondere dem Bedürfnis pflegender Angehöriger gerecht, berufstätig zu bleiben und Pflegeaufgaben ohne drastische Einkommensverluste nachkommen zu können“, erklärte dazu Unionsfraktionsvize Ingrid Fischbach (CDU).
SPD-Vize Manuela Schwesig kritisierte, das Pflegezeitmodell Schröders sei „für Normal- und Geringverdiener kein wirkliches Angebot“, weil diese nicht auf 25 Prozent ihres Gehaltes verzichten könnten. „Das Modell ist unsozial, unpraktikabel und nicht zu Ende gedacht“, erklärte Schwesig in Berlin.
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Ulrike Mascher, bemängelte den fehlenden Rechtsanspruch: „Sich nur auf den guten Willen der Unternehmen zu verlassen, ist der falsche Weg.“ Ähnlich äußerte sich auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). DGB-Vize Ingrid Sehrbrock begrüßte es in einer Erklärung allerdings, dass der Kündigungsschutz im Familienpflegezeitgesetz nach dem Vorbild des Elterngeldes gestaltet werden solle.
Bereits zum 1. Juli 2008 war von der damaligen schwarz-roten Bundesregierung ein Anspruch auf eine Pflegezeit eingeführt worden. Demnach können sich Beschäftigte für die Pflege naher Angehöriger für die Dauer von bis zu sechs Monaten komplett oder teilweise von der Arbeit frei stellen lassen. Sie bekommen während der Freistellung allerdings kein Gehalt, genießen aber Kündigungsschutz.