Bönen > Gestern Abend sendete das Erste den NDR-Beitrag „ARD-exclusiv: Die KiK-Story – die miesen Methoden des Textildiscounters“. NDR-Fernsehchef Andreas Cichowicz betonte, es sei noch nie so viel Geld für Recherche zur Verfügung gestellt worden wie für diesen Fall. „Panorama“-Reporter Christoph Lütgert reiste mit seinem Team zweimal nach Bangladesch. Im April hatte der NDR in der Serie “Panorama – die Reporter” zuletzt über den Discounter berichtet. Der aktuelle Beitrag kritisiert die Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben in Bangladesch und insbesondere die Entlohnung der Arbeiterinnen, die Arbeitsbedingungen der KiK-Mitarbeiter in Deutschland und die Selbstdarstellung des Unternehmens. KiK hatte die Ausstrahlung des Beitrags gerichtlich zu verhindern versucht und war damit gescheitert. Nach der ersten Ausstrahlung im April wandten sich mehrere ehemalige KiK-Mitarbeiter an den NDR, ihre Berichte flossen in den zweiten Beitrag ein.
NGO-Bericht gab der Recherche Impulse
Impulse für die Recherche in Bangladesch gewann Lütgert aus der 2008 von der Kampagne für ‚Saubere‘ Kleidung herausgegebenen Broschüre „Wer bezahlt unsere Kleidung bei Lidl und KiK?“. In dem aktuellen Beitrag werden bedrückende Lebensbedingungen in Bangladesch portraitiert, denen die Mitarbeiter in den asiatischen KiK-Zulieferbetrieben mit Monatslöhnen von 25 bis 30 Euro bei einer 6-Tage-Woche nicht entkommen können. Die interviewten Arbeiterinnen erheben zudem schwere Vorwürfe gegen ihre Arbeitgeber: So seien Überstunden nicht gezahlt und bei Krankheit sei der Lohn gekürzt worden.
Versagt das Supply-Chain-Management?
Besonders der Bericht eines ehemaligen Textilmanagers in Bangladesch schreckt auf. Er berichtet offen von einer doppelten Buchführung für die staatlichen Kontrolleure auf der einen und für die Unternehmensrechnung auf der anderen Seite. Die von westlichen Auftraggebern beauftragten Auditoren seien nicht ernst zu nehmen und arbeiteten nur in die eigenen Taschen. Und die ethischen Standards und Kodizes westlicher Auftraggeber hätten auf sein Unternehmen keinen Einfluss gehabt hätten.
Arbeitsbedingungen in Deutschland
In Bezug auf den Umgang mit der KiK-Belegschaft in Deutschland kritisiert der Beitrag niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen wie etwa fehlende Klimaanlagen im Sommer und die fehlende Rücksichtnahme auf die besonderen Bedürfnisse einer schwangeren Mitarbeiterin. Zudem herrsche ein System des Misstrauens und der knallharten Kontrolle. Als Protagonist kommt ein ehemaliger KiK-Bezirksleiter zu Wort, der seine Mitarbeiter nach Dienstschluss und nach dem Verlassen des Kaufhauses für Taschenkontrollen abpasste.
Ist caritatives Engagement PR?
Als einen weiteren Kritikpunkt greift der Panorama-Beitrag die caritativen Aktivitäten des Unternehmens an. So soll im Dortmunder Stadtteil Scharnhorst über die Help and Hope-Stiftung ein Kinderhaus nach dem Vorbild der Berliner Arche entstehen. Lütgert interviewt Schulleiter, die diesem Projekt kein Vertrauen schenken und geringe Löhne bei KiK für die Situation wirtschaftlich armer Kinder mit verantwortlich machen. Zudem greift der Beitrag eine mit einer ganzseitigen Anzeige in der BILD beworbene Aktion an: den Verkauf von Papp-Aufstellern der Werbe-Ikone Verona Pooth für einen gemeinnützigen Zweck. Allein die Anzeige habe nach BILD-Tarif etwa 200.000 Euro gekostet, das sei mit der Aktion selbst nicht zu verdienen. Die Botschaft: Bei dem caritativen Engagement gehe es KiK zuerst ums eigene Image.
Konsequenzen für das CSR-Engagement
Der Panorama-Beitrag bietet viel Lehrreiches zum Umgang mit dem Thema Corporate Social Responsibility: Sicher macht eine Kampagne wie die für ‚Saubere Kleidung‘ einem Unternehmen wie KiK den Dialog alles andere als leicht. Aber: Wenn nach der ausführlichen kritischen Berichterstattung Anfang 2008 der Dialog gelungen wäre, hätte es den gestrigen Panorama-Beitrag nicht gegeben. KiK hat in sein Supply-Chain-Management investiert: mit einer personell stark aufgestellten CSR-Abteilung und einer Fachberatung. Vielleicht hätte eine offenere Kommunikation der Herausforderungen und des Umgangs damit dem Unternehmen geholfen.
Der Beitrag des NDR-Reporters Lütgert jedenfalls bietet für das Elend in Bangladesch eine monokausale Erklärung: Die Niedriglöhne der Zulieferer. Die Komplexität der Frage nach dem „existenzsichernden Lohn“, die nicht einfachen Bemühungen der Textilindustrie zur Einflussnahme auf ihre Zulieferer und die Verantwortung etwa der Regierung in Bangladesch oder der internationalen staatlichen Gemeinschaft bleiben in einer solchen Berichterstattung – leider – außen vor.
Und nicht zuletzt demonstriert der Beitrag die Bedeutung der eigenen Mitarbeiter als Stakeholder des Unternehmens und Testimonials: Niemand kennt ein Unternehmen so gut wie seine eigenen Mitarbeiter. Wenn ein Team von seinem Arbeitgeber begeistert ist, strahlt es das aus. Gerade für den Einzelhandel ist die Beziehung zum unmittelbaren sozialen Umfeld von großer Bedeutung – und die funktioniert zu einem großen Teil über die eigene Belegschaft.
Neustart mit Geschäftsführer-Ressort Nachhaltigkeitsmanagement
KiK hat zum 1. August ein Geschäftsführer-Ressort für Nachhaltigkeitsmanagement geschaffen und mit Dr. Michael Arretz, dem bisherigen Geschäftsführer der Hamburger Systain Consulting, besetzt. Bei Arretz wird auch die Kommunikationsverantwortung liegen. Keine einfache Aufgabe, die sich dem Supply-Chain-Experten stellt – und keine leichten Startbedingungen.
Der Beitrag in der NDR-Mediathek:
http://www.ndr.de/flash/mediathek/index.html
Hallo CSR-News Team,
danke für diesen ausführlichen Artikel!
(-) Wer sind denn die/der Autor/-in/-en?
(-) Sie Schreiben in diesem Artikel,
„Wenn nach der ausführlichen kritischen Berichterstattung Anfang 2008 der Dialog gelungen wäre, hätte es den gestrigen Panorama-Beitrag nicht gegeben.“
Können Sie diese Behauptung begründen?
Danach schreiben Sie,
„KiK hat in sein Supply-Chain-Management investiert: mit einer personell stark aufgestellten CSR-Abteilung und einer Fachberatung.“
Warum gehen Sie da nicht genauer drauf ein, wenn Sie schon suggerieren, dass sie da gut informiert sind? Diese Abteilung hat ja scheinbar ziemlich versagt bzw nichts zu melden. Warum thematisieren Sie das nicht?
(-) Ob die Einrichtung eines Geschäftsführer-Ressorts für Nachhaltigkeitsmanagement wirklich zu signifikanten Veränderungen führt darf bezweifelt werden. Das Geschäftsmodell ändert sich dadurch ja nicht.
(-) Ihr zahlendes (?) Mitglied kik (siehe rechte Spalte „our members“) freut sich bestimmt wenn sie ihm eine gut ausgerüstete CSR Abteilung bescheinigen und über die Einführung eines neuen geschäftsführer-Ressorts für Nachhaltigkeit berichten. Jetzt wird dann alles gut, oder?
So nicht, Leute! Lernt mal vernünftig ausgewogene und qualitativ hochwertige Artikel zu schreiben,
(~) in welchen Ihr sauber recherchierte, ausgewogene und gut begründete Informationen präsentiert. Das hier ist maximal ein Versuch.
(~) Wenn ihr wirklich gut sein wollt, dann liefert doch mal ein paar genauere Hintergrundinformationen zum neuen Herrn Dr Nachhaltigkeit und seinen Aufgaben bei kik. Über welche Ausbildung verfügt er? Was hat er bisher geleistet? Was sind realistsche Ziele bei seiner zukünftigen Tätigkeit? Ist das ganze vielleicht nur eine Feigenblatt-Aktion um die Lage zu beruhigen?
Bis dahin betrachte ich das hier als unterhaltsam, in begrenztem Rahmen auch als informativ. Qualitativ hochwertig sieht für mich aber anders aus.
Was lässt sich denn jetzt eigentlich – wie in der Überschrift angekündigt – an diesem Beispiel über CSR lernen?
Ein Nachhaltigkeits-Ressort einführen und mit einem Herrn Dr besetzen und alles wird gut?
Wow, das ist ja ein guter Rundumschlag. Seis drum: Ich fimde, dass wir schon gut kritisch mit KiK umgegangen sind. Bei uns gilt: Unsere Mitglieder wollen Dialog und Transparenz. Das heißt, dass wir auch in einer solchen Situation journalistisch berichten. Dazu gehört aber auch: KiK hat nicht nichts getan. Dass es nicht gereicht hat, war ja zu lesen. Andererseits: Bangladesch ist eine Herausforderung für alle Unternehmen, die dort produzieren. Der Umgang mit den Mitarbeitern in Deutschland steht da auf einem anderen Blatt. Eine Grundfrage ist: Geht Discount und Verantwortung miteinander? Ich sage: Ja. Dafür gibt es Beispiele. Und da sollten wir dem neuen Dr. Arrez als Nachhaltigkeitsgeschäftsführers doch die Chance geben, dass auch bei KiK hinzubekommen. Natürlich ist der Zeitpunkt für einen solchen Start – einen Tag vor der Fernsehausstrahlung – nicht besonders überzeugend. Aber wenn KiK nicht täte, wäre das besser? Das Thema CSR auf Geschäftsführerebene zu verankern, ist klar ein Schritt in die richtige Richtung. Und KiK kann sich einer aufmersamen öffentlichen Begleitung in den nächsten Wochen und monaten sicher sein (das hat ja auch der NDR-Redakteur versprochen).