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Korruptionsbekämpfung braucht Kommunikation und Unternehmenskultur

Angesichts der Vorgänge bei der Deutschen Bahn wird derzeit über die Grenzen der Korruptionsbekämpfung in Konzernen diskutiert. Die Redaktion des DNWE-Expertenforums sprach darüber mit Caspar von Hauenschild, Vorstand bei Transparency International.

DNWE-Expertenforum: Die Deutsche Bahn hat bei drei Gelegenheiten die Daten ihrer Gesamtbelegschaft mit Lieferantendaten abgeglichen. Sind alle Mitarbeiter eines Konzerns gleichermaßen korruptionsgefährdet?

Caspar von Hauenschild: Korruptionsgefährdet sind zunächst einmal alle Mitarbeiter mit Lieferantenkontakten, zuerst also die Mitarbeiter im Einkauf. Korruptionspotential besteht aber auch für Mitarbeiter im Verkauf – gerade in kritischen Märkten. Dann gibt es in der zweiten Reihe die mit diesen Mitarbeitern verwandten Kollegen in anderen Unternehmensbereichen. Korruptionsbekämpfung wird deshalb besonders den Ein- und Verkauf im Blick behalten müssen, sich aber nicht darauf beschränken dürfen.

DNWE-Expertenforum: Nun wird es jedem Konzern zuerst um Korruptionsprävention gehen. Was kann ein Unternehmen hier tun?

Caspar von Hauenschild: Korruptionsprävention ist eine Herausforderung an Unternehmenskommunikation und Unternehmenskultur. Zuerst müssen alle geltenden Spielregeln klar und wahrnehmbar kommuniziert werden – auch Konsequenzen und Sanktionen bei Korruptionsfällen. Das passiert oft zu oberflächlich. Da werden Regelwerke wie Postwurfsendungen an alle Mitarbeiter versandt und gehen in der allgemeinen Informationsflut unter. Wenn solche Leitlinien kommuniziert werden, ist eine Vorbildwirkung der Führungskräfte unerlässlich – und nicht in allen Unternehmen selbstverständlich.

Zweitens ist der offene Diskurs über potentielle Konflikte mit diesen Spielregeln wichtig. Mögliche Konflikte müssen gemeinsam mit den Beteiligten beschrieben werden, pro-aktiv in Workshops zum Beispiel. Dieser Diskurs unterbleibt in vielen Konzernen und die Mitarbeiter bleiben mit ihren Konflikten allein. Das Gespräch praxisnahe Fragen hilft hier weiter: Wie leben wir diese Spielregeln? Wo sind Konflikte zu erwarten? Wie gehen wir mit diesen Konflikten um? Haben wir aktuell solche Konflikte? Mögliche Konflikte müssen klar und konkret benannt werden. Diesen Diskurs zu initiieren ist eine Führungsaufgabe.

DNWE-Expertenforum: Trotzdem wird ein Konzern nicht darauf verzichten können, auch Maßnahmen zur Aufdeckung möglicher Korruptionsfälle zu treffen.

Caspar von Hauenschild: Wenn das Unternehmen seine Spielregeln klar kommuniziert und einen Diskurs über mögliche Konflikte damit initiiert hat, dann wird der ganz überwiegende Teil seiner Mitarbeiter auch für so genannte “Prüfungen ohne Verdacht” Verständnis haben. Solche Nachprüfungen sind bei vielen Großkonzernen üblich. Dabei ist der Abgleich von Kontodaten der Mitarbeiter mit den Bankverbindungen der Lieferanten eine von Fachleuten empfohlene Methode und an sich keine Verletzung des Datenschutzes. Solche Daten liegen einem Konzern – wie viele andere personenbezogene Daten ebenfalls – in elektronischer Form vor und sind von daher relativ einfach und Kosten sparend auszuwerten. Einige Fälle von Korruption lassen sich damit offensichtlich aufdecken. Eine andere Frage ist, in welchem Umfang solche Abgleiche vorgenommen werden und inwieweit dabei der Datenschutzbeauftragte und die Mitarbeitervertretungen informiert und einbezogen werden. Die Form, wie eine “Prüfung ohne Verdacht” funktioniert, muss den Mitarbeitern erklärt werden. Eine Grenze für solche Prüfungen besteht dort, wo ein Unternehmen seinen Mitarbeitern die Privatnutzung der IT erlaubt. Der Zugriff auf private Inhalte ist nicht zulässig. Einerseits braucht es also Transparenz, andererseits muss die Chance bestehen bleiben, dass durch solche Prüfungen tatsächlich Korruption aufgedeckt wird und mögliche Täter nicht schon vorher wissen, wie sie einen Erfolg solcher Nachprüfungen verhindern können.

Das ganze Interview sowie Kommentare und Nachrichten zum Thema finden Sie unter www.dnwe.de/expertenforum.

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