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Amazoniens Regenwald braucht Schutzzonen und Bildungsprogramme

Stuttgart > Felicio Pontes Jr. ist ein höchstens mittelgroßer, vornehmer Herr und fällt durch sein freundliches Lächeln auf. Pontes ist Bundesanwalt der Republik Brasilien, sein Tätigkeitsfeld ist Amazonien. Seine Aufgabe: Umweltsünder ins Gefängnis bringen. Und seine Verbündeten sind Nichtregierungsorganisationen.

Der 42-jährige südamerikanische Staatsanwalt reist derzeit durch Deutschland. Er will auf die gravierenden Schäden durch den illegalen Holzabbau im Amazonasgebiet hinweisen. Dazu führt er eine Karte mit sich, die einen großen Teil des Amazonasgebietes als verloren oder schwer geschädigt ausweist. Pontes will deutsche Unternehmen dafür gewinnen, im Rahmen ihrer Corporate Social Responsibility für die Zulieferkette die Verwendung solcher Hölzer auszuschließen. Jedes Jahr ermitteln Pontes und seine Mitarbeiter 1.000 Täter, die mit illegalen Methoden den Regenwald am Amazonas zerstören. 90% seiner Anklagen führen zu einer Verurteilung in der ersten Instanz, berichtet Pontes. Bis zu einer Entscheidung in der zweiten Instanz vergehen rund fünf Jahre. Was dann von seinem Erfolg bleibt, weiß er nicht. Was er weiß: Das größte Problem ist die Korruption. Und die sitzt nicht nur in den lokalen Behörden, sondern sie reicht bis in die Regierungsspitzen und Parlamente. Der Bundesanwalt versteht sich mehr als ein Naturschützer als ein Sachwalter über Paragrafen. Es geht ihm um die Zukunft der Region, um ihre Menschen und den Regenwald.

Die Zerstörungen in der Region begannen in den 70ger Jahren zur Zeit der Militärdiktatur. Für Holzabbau und Viehzucht wurden wahllos Wälder gerodet. Die “Madeireiros”, die Holzhändler, wurden so reich. Oft kamen sie erst durch Betrugsaktionen in den Besitz der Waldflächen für ihre Rodungen. Heute kommt der Anbau von Soja als weitere Bedrohung für den Urwald hinzu. In den letzten 33 Jahren wurden im Bundesstaat Pará 772 Arbeiter und sozial engagierte Persönlichkeiten wegen der Landkonflikte umgebracht. Das alles berichtet Pontes und wirbt für ein anderes Modell, für nachhaltige Waldbewirtschaftung. Sozio-Environmentalismus nennt er seine Idee, in der auch die Bildung der lokalen Bevölkerung eine große Rolle spielt. Noch sind die Manager der Holzabbauunternehmen mit ihren Universitätsabschlüssen der lokalen, wenig gebildeten Bevölkerung weit überlegen. Das soll nicht so bleiben, Amazonien benötigt Bildungsprogramme. Denn eine anspruchsvolle Waldbewirtschaftung braucht Mitarbeiter, die komplexe Maschinen bedienen können. Die Region braucht Menschen, die Zusammenhänge von Natur, Umwelt und gesellschaftlicher Zukunft verstehen. Und Schutzzonen, die den noch verbliebenen Regenwald vor dem Kahlschlag bewahren und ihn auch als Ressource für die Gewinnung von Inhaltsstoffen für die pharmazeutische und chemische Industrie bewahren.

Das würde politisches Engagement der Republik Brasilien oder des Staates Pará erfordern – und Pontes ist skeptisch. Deshalb wendet er sich an deutsche Unternehmen und will Patenschaften für die Entwicklung der Region Amazonien anregen. Dafür warb er in der vergangenen Woche auf dem Forum EnviComm in Stuttgart, und dafür ist er auch in dieser Woche in unserem Land unterwegs.


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