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Report: Lobbyisten in Europa können fast ungehindert Einfluss nehmen

Slowenien ist das Land in der Europäischen Union mit den besten Regelungen für den Umgang mit Lobbyismus. Dennoch zeigen auch die dort bestehenden verpflichtenden Lobbyregulationen Lücken auf und zeigen Schwächen in der Umsetzung. Das ist ein Ergebnis des heute veröffentlichten Reports „Lobbying in Europe: Hidden Influence, Privileged Access“. Dafür hat die Antikorruptionsorganisation Transparency International 19 EU-Staaten und ihren Umgang mit Lobbyismus untersucht. Interessenvertreter haben demnach einen fast ungehinderten Zugang zu politischen Entscheidungsprozessen.

Berlin (csr-news) > Slowenien ist das Land in der Europäischen Union mit den besten Regelungen für den Umgang mit Lobbyismus. Dennoch zeigen auch die dort bestehenden verpflichtenden Lobbyregulationen Lücken auf und zeigen Schwächen in der Umsetzung. Das ist ein Ergebnis des heute veröffentlichten Reports „Lobbying in Europe: Hidden Influence, Privileged Access“. Dafür hat die Antikorruptionsorganisation Transparency International 19 EU-Staaten und ihren Umgang mit Lobbyismus untersucht. Interessenvertreter haben demnach einen fast ungehinderten Zugang zu politischen Entscheidungsprozessen. Lobbyismus gehört zum Wesen der Demokratie, doch ohne klare und durchsetzbare Regelungen besteht die Gefahr der politischen Einflussnahmen von einer einflussreichen und finanzstarken Minderheit, ohne die Interessen einer breiten Öffentlichkeit angemessen zu berücksichtigen. Dabei zeigt der Bericht von Transparency International, dass Lobbying in Europa nach wie vor unzureichend reguliert ist und somit Einfallstore für Korruption bietet. Von den 19 untersuchten Ländern verfügen nur Frankreich, Großbritannien, Irland, Litauen, Österreich, Polen und Slowenien über gezielte Maßnahmen, die einen fairen Zugang von allen Interessen zum politischen Entscheidungsprozess sicherstellen sollen – Deutschland gehört nicht dazu. Vielmehr scheint hierzulande das Gegenteil zu gelten. Von den 100 möglichen Punkten, die jedes Land erreichen konnte, liegt Deutschland mit nur 23 Punkten weit unter dem europäischen Durchschnitt. Dieser liegt bei 31 Punkten, wobei selbst Vorreiter Slowenien nur 55 Punkte erzielte. In Deutschland mangelt es gleich an mehreren Stellen, zum Beispiel an der Transparenz. Für den deutschen Steuerzahler sind Einflussnahmen von Lobbyisten bei politischen Entscheidungen und Gesetzgebungsverfahren kaum sichtbar und nachzuvollziehen. So sind nach Auffassung von Transparency International die Möglichkeiten zur Selbstregulierung der Interessenvertreter bislang völlig wirkungslos geblieben und würden keine Alternative zu gesetzlichen Regelungen bieten. Ein verpflichtendes Lobbyregister verknüpft mit einem Verhaltenskodex und Sanktionierungsmöglichkeiten bei Fehlverhalten sei dringend nötig, aber weiterhin nicht in Sicht. Prof. Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland: „Wir brauchen im Lobbyismus ein transparentes und faires Verfahren. Um den Einfluss von Interessen auf die Gesetzesvorbereitung nachvollziehbar und politisch diskutierbar zu gestalten, ist die Einführung eines legislativen Fußabdruckes in Deutschland und in Europa unabdingbar.“ Schlusslichter der Bewertung sind Zypern und Ungarn, die jeweils mit 14 Punkten abschnitten. Besonders die Verweigerung eines Zugangs zu Informationen werteten die Autoren als negativ. Die Krisenländer der Eurozone Italien, Portugal und Spanien sind unter den fünf am schlechtesten abschneidenden Ländern. Bei diesen Ländern gelten die Lobbypraktiken und die engen Beziehungen zwischen dem öffentlichen und dem Finanzsektor als risikoreich. Der Bericht zeigt, dass nach der Finanzkrise die Reformen sowohl auf der EU- als auch auf der nationalen Ebene zu einem großen Teil durch intensives Lobbying im Finanzsektor verhindert und abgemildert wurden. Neben den EU-Staaten wurden auch die Europäischen Institutionen unter die Lupe genommen. Dabei wurde die Europäische Kommission besser bewertet als die meisten Staaten, das Europäische Parlament konnte sich dagegen nur im Mittelfeld einreihen. Dennoch verfügen auch die EU-Institutionen nicht über angemessene Instrumente, um beispielsweise den sogenannten Drehtüreffekt zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor zu kontrollieren. Die Interessenkonflikte in den jeweiligen Entscheidungsprozessen würden daher auch weiterhin bestehen bleiben, so die Autoren. So fordert Transparency International weiterhin die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters, in dem detaillierte Informationen über die Auftraggeber der Lobbyorganisation, über die Zielsetzungen und -personen sowie über die Methodik enthalten sind. Zudem sollten sogenannte „legislative Fußabdrücke“ eingeführt werden, um nachvollziehbar zu machen, welche externen Beiträge eine Gesetzgebung beeinflusst haben und es bedarf einer effektiven Karenzzeitregelung für Parlamentarier die in die Wirtschaft wechseln wollen. Der Bericht „Lobbying in Europe: Hidden Influence, Privileged Access“ zum Download.


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